Beim Verkehrsgerichtstag 2023 wurde darüber diskutiert, wer bei einem Unfall die Verantwortung trägt. Denn da immer mehr hochautomatisierte Fahrzeuge ihren Weg auf die Straße finden, verlassen sich immer mehr Fahrer:innen auf die verbauten Assistenzsysteme. Spannend wird die Frage vor allem dann, wenn autonom fahrende Fahrzeuge einen Unfall verursachen. Wer haftet dann?
Wie das ZDF berichtet, steht zumindest fest, unabhängig davon, wann autonome Autos im Alltag zu sehen sind, dass immer mehr sogenannte „Corner Cases“ gelöst werden müssen. Damit gemeint sind sogenannte Sonderfälle im Straßenverkehr. Dabei ist die ganz klare Herausforderung, dass es theoretisch unendlich viele solcher Fälle gibt.
Viele dieser Fälle werden wohl erst durch Fahrten im Alltag – wie beispielsweise aktuelle Cruise/ Waymo-Thematik – ersichtlich. In Deutschland kann dies noch ein wenig dauern. Denn während andere Länder schon lange selbstfahrende Verkehrsmittel einsetzen, zögert Deutschland noch. Zwischen Rackwitz und Schladitzer See nahe Leipzig soll jetzt ein Bus ohne Fahrer probeweise eingesetzt werden.
Mercedes-Benz setzt Maßstab bei autonomen Fahren
Bei den Automobilhersteller scheint derzeit Mercedes-Benz die Nase vorn zu haben. 2022 konnte das Stuttgarter Unternehmen sein erstes E-Auto mit einer Zulassung für sogenanntes hochautomatisiertes Fahren – entspricht autonomen Fahren Level 3 – auf die Straße bringen.
Ist der Mercedes DRIVE PILOT aktiviert, regelt dieser Geschwindigkeit sowie Abstand und führt das Fahrzeug innerhalb der Spur. Streckenverlauf, Ereignisse auf der Strecke und Verkehrszeichen werden ausgewertet und berücksichtigt. Die Besonderheit, das System reagiert auch auf unerwartet auftretende Verkehrssituationen und bewältigt diese eigenständig, etwa durch Ausweichmanöver innerhalb der Spur oder durch Bremsmanöver.
Haftung sollte sich verschieben, mit Wandel zu autonomen Fahren
Es lässt sich somit festhalten, dass nach und nach der Hersteller beziehungsweise dessen verbaute künstliche Intelligenz die Kontrolle im Straßenverkehr übernimmt. Doch wer haftet, wenn etwas passiert? Für Prof. Gerhard Wagner von der Humboldt-Universität zu Berlin ist klar, dass sich die Risikoverteilung im Straßenverkehr mit der technischen Entwicklung verschiebt. Dies gab er gegenüber dem ZDF zu verstehen. „Gegenwärtig fahren Menschen das Auto, aber in Zukunft fährt der Hersteller das Auto und mit dieser Verlagerung der Kontrolle des Fahrzeugs müsste sich auch die Haftung hin zum Hersteller verlagern“, so Wagner.
Dies passt allerdings nicht zum derzeitigen kombinierten Haftungssystem von Halter-, Fahrer- und Produzentenhaftung in Deutschland. Hier steht derzeit in erster Linie der Fahrzeughalter mit seiner Kfz-Versicherung in der Pflicht, wenn etwas passiert. Dabei sind die derzeitigen Regeln technikneutral. Wodurch sowohl für hochautomatisierte als auch für konventionelle Fahrzeuge Rechtsklarheit geschaffen wird.
Hierdurch ist es auch so, dass bei Unfällen im Straßenverkehr in erster Linie aktuell der Fahrzeughalter über seine Pflichtversicherung haftet. Unabhängig davon, ob er einen Unfall zu verschulden hat oder nicht. Für ihn gilt eine sogenannte Gefährdungshaftung. Zudem ist es bereits so, dass Fahrzeughersteller für Unfälle haften können. Dies gilt allerdings nur, wenn ein automatisiertes System zum Unfallzeitpunkt aktiviert war und auch feststeht, dass eine fehlerhafte Programmierung für den Unfall verantwortlich war.
„Grundsätzlich ist der Mensch für sein Tun verantwortlich und damit auch Anknüpfungspunkt des Rechts. Allerdings wird mit zunehmender Automatisierung des Fahrzeugs die rechtliche Rolle und Verantwortung des Fahrers immer unschärfer und unklarer.“ – Andreas Herrmann/ Walter Brenner in Die autonome Revolution
Haftungsfrage derzeit klar geregelt. Zumindest für Geschädigte
Für Geschädigte erscheint die aktuelle Lösung auch einfacher, da sich diese direkt an die Pflichtversicherung eines Fahrzeughalters wenden können. Ein Rechtsstreit mit einem Autohersteller über fehlerhafte KI-Programmierung ist nicht notwendig. Dennoch sieht auch die Rechtswissenschaft die Aufgabe darin eine Lösung zu finden, wie sich die gesteigerte Verantwortung derjeniger, die autonome Systeme auf den Markt bringen, auch in der Haftung widerspiegeln kann.
Die EU hatte zuletzt einen umfangreichen Entwurf für eine KI-Haftung vorgestellt. Der beinhaltet unter anderem eine sogenannte „Kausalitätsvermutung“: Damit sollen Geschädigte leichter nachweisen können, dass die Entscheidung einer künstlichen Intelligenz bei einem Unfall eine Rolle gespielt hat. Dabei spiegelt dieser Ansatz nur eine von vielen möglichen Herangehensweisen bei der Haft für autonom fahrende Fahrzeuge wider.
Quelle: ZDF.de – Autonomes Fahren:Wer hat Kontrolle, wer haftet?