Vernetzter Verkehr soll schon in wenigen Jahren möglich sein
Ein elementarer Bestandteil des autonomen Fahrens ist die Vernetzung, sowohl der Fahrzeuge mit der Infrastruktur als auch der Fahrzeuge untereinander (= V2X). In einer Mitteilung von Porsche im April dieses Jahres gab der Autohersteller einige Informationen zum Stand seiner Technik bekannt und stellte die Möglichkeit eines vernetzten Verkehrs schon für die nächsten Jahre in Aussicht.
Sicherheit durch KI von morgen
Mehr Sicherheit im Verkehr und weniger Staus durch vernetzte Fahrzeuge sowie fortschrittliche künstliche Intelligenz (= KI), daran arbeitet auch Porsche Engineering. Nach eigenen Angaben arbeite der Hersteller mit virtuellen Entwicklungsmethoden daran, die V2X-Funktionen für die eigenen Fahrzeuge zu verbessern. Die sogenannte Car Data Box (= CDB) von Porsche, die zahlreiche Varianten durchspielen und beliebige Funktionen ausführen kann, ist dabei ein wichtiges Werkzeug.
Wie funktioniert aber V2X-Kommunikation? Ein mögliches Szenario: Die Fahrbahn ist an einer Gefahrenstelle blockiert, beispielsweise nach einer Kurve. Nach der Hinderniswarnung wird ein KI-System aktiviert, dass die Daten verarbeitet, auswertet und interpretiert. Darauf wurde das neuronale Netz gezielt trainiert, sodass es Gegenstände unterscheiden und nach Risiko einordnen kann.
Sobald diese Situation von einem Fahrzeug erkannt wurde, wird die Information in einem Cloud-Server auch für andere Fahrzeuge mit dem entsprechenden Zugang verfügbar. Ausgetauscht wird beispielsweise: Was blockiert die Fahrbahn und wo befindet sich die Blockade? Die anderen Fahrzeuge können dann entsprechend rechtzeitig reagieren, wobei ohne V2X-Kommunikation bei Unaufmerksamkeit oder ähnlichem ein Unfall hätte eintreten können. Außerdem umfasst die Vernetzung nicht nur die Fahrzeuge selbst, denn auch ein Informationsaustausch mit Smartphones anderer Verkehrsteilnehmer:innen oder Ampeln ist möglich. Sicherheit und ein verbesserter Verkehrsfluss, zwei große Vorteile der Neuerung.
Für autonome Fahrzeuge sowie Fahrassistenzsysteme ist das System unerlässlich:
„Das Fahrzeug von morgen nutzt nicht nur die eigene Sensorik, sondern auch die der anderen Verkehrsteilnehmer. V2X ist somit ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum komplett autonomen Fahren.“
Pasqual Boehmsdorff, Projektleiter V2X-Funktionen bei Porsche Engineering
Car Data Box von Porsche
Damit diese Situation bald technologisch möglich ist, arbeitet Porsche an der Car Data Box. Dabei handele es sich nach Angaben des Herstellers um einen Entwicklungsrechner, der mit dem Datenbus und der Sensorik eines Testfahrzeugs verbunden sei. Er eigne sich dabei besonders, um neue Fahrerassistenzsysteme zu realisieren, für die serienmäßige Steuergeräte nicht leistungsstark genug seien. Die Graphics Processing Unit, die sich besonders für diese Aufgabe eigne, werde vom Hersteller NVIDIA geliefert.
Während die Software für den Testrechner von den Porsche Engineering Standorten im rumänischen Cluj-Napoca und Timișoara entwickelt wurden, war die Hardware unter der Zuständigkeit von Ingenieur:innen am Standort Prag. Bereits 2020 wurde die CDB erstmals vorgestellt und seit 2021 gibt es eine verbesserte Cloud-Anbindung durch ein 5G-Modul. Außerdem erleichtere das Robotic Operating Systems (= ROS) die Integration der Sensorikdaten, so Porsche.
Vorreiter der Vernetzung
Derzeit ist China bei V2X-Kommunikation der Vorreiter und in manchen Städten sind die Ampelanlagen bereits mit einer Zentrale verbunden, sodass beispielsweise Grünphasen vorab an Verkehrsteilnehmende kommuniziert werden können. Außerdem ist es möglich, die Echtzeitinformationen der Ampeln mit dem Abstandstempomaten von Fahrzeugen zu synchronisieren, sodass die Geschwindigkeit vorausschauend angepasst werden kann. Damit werden Standzeiten kürzer und der Verkehrsfluss effizienter. Das gleiche Prinzip lässt sich auf Unfallsituationen oder verkehrsbedingte Hindernisse im Verkehr übertragen. Wie ein digitales Warndreieck agiert das System und Informationen können zwischen den Fahrzeugen ausgetauscht werden.
Wenig überraschend ist, dass auch Porsche Engineering einen Standort in Anting bei Shanghai in China hat, um seine Fahrzeugtechnologie zu verbessern. In dem Entwicklungszentrum führt das Unternehmen Realtests für V2X-Kommunikation durch.
V2X durch WLAN und Mobilfunk
Um Fahrzeuge drahtlos untereinander zu verbinden gibt es zwei verschiedene technische Konzepte: Die Vernetzung mit der WLAN-Variante 802.11p oder die Nutzung von Mobilfunk nach dem Standard C-V2X. Während für Ersteres Router entlang der Straße benötigt werden, sogenannte Roadside Units, was ein aufwendiger Umbau ist, kann bei Mobilfunk auf bestehende Infrastruktur zurückgegriffen werden. Über 5G ist dabei sogar eine direkte Vernetzung der Fahrzeuge möglich, ohne den „Umweg“ über eine zentrale Datenstation gehen zu müssen. Auch hier ist China vorne mit dabei: Bis 2025 sollen die Hälfte aller Neuwägen über 5G permanent online sein.
Auch Porsche setzt auf Mobilfunk bei seinem V2X-Konzept. Der Leiter des Fachbereichs Connectivity bei Porsche Engineering, Thomas Pretsch, gehe davon aus, dass sich ein auf Mobilfunk basierendes System durchsetze.
Trainingsprozess bei Porsche
Um das neuronale Netz hinter den automatisierten Fahrzeugen zu trainieren, hat Porsche ein ausgeklügeltes System entwickelt. So werden beispielsweise die vorhandenen mit synthetischen Daten zum Verkehr ergänzt, um Unfallsituationen im KI-System ausreichend zu optimieren. Die tatsächlich gefahrene Situation, so Dr. Joachim Schaper, Leiter von KI und Big Data bei Porsche Engineering, werde virtuell variiert mit dem Werkzeug PEVATeC (= Porsche Engineering Virtual ADAS Testing Center).
Dieses bilde, so Porsche, eine physikalische Umgebung exakt nach, nicht nur die sichtbare Umgebung, sondern auch die Sensordaten, die das Fahrzeug wahrnehmen würde. Dadurch lassen sich Gefahrensituationen in verschiedenen Varianten nachbilden, z. B. ein Gegenstand auf der Fahrbahn bei Gegenlicht, bei Nacht oder bei Schnee. So lernt das KI-System die Situationen kennen, ohne sie tatsächlich erlebt zu haben. Das neuronale Netz wird schließlich von der CDB genutzt, um die entsprechende Reaktion des Fahrzeugs einzuleiten. Je nach Situationen kann der Algorithmus eine visuelle oder akustische Meldung im Fahrzeug bis hin zu Fahrmanövern veranlassen.
Wenn das System trainiert und aufeinander abgestimmt ist, erfolgt die Erprobung unter realen Bedingungen. Porsche hat dafür ein Testgelände in Italien, das Nardò Technical Center (= NTC). Auf der 700 Hektar großen Fläche mit 5G-Verbindung können die V2x-Funktionen der Fahrzeuge geprüft werden. Entscheidend, so der Telekommunikationsexperte des NTC, Luigi Mazzarella, sei dabei die Korrelation zwischen der Fahrzeuggeschwindigkeit und dem Datendurchsatz. Die gesammelten Daten der Testfahrt werden von der CDB schließlich während oder nach dem Prozess in die Cloud übertragen, wo sie zum Lernprozess des Systems beitragen.
Bestandene Prüfung auf dem NTC
Den Datenfluss bei schnellen Geschwindigkeiten haben Ingenier:innen von Porsche im letzten Jahr auf der 12,6km langen Rennstrecke des NTC getestet. Die Ergebnisse der Datenübertragung zeigten laut Porsche, dass sowohl die Bandbreite als auch die Latenz im 5G-Netz ausreichen für den Betrieb von Fahrzeugen im Verkehr. Auch das Handover, also der Wechsel der Basisstation, habe bei 5G-Verbindung zuverlässig funktioniert, während die Verbindung bei früheren Mobilfunkgenerationen gelegentlich abgebrochen sei. Durch das 5G-Modul der CDB sei es nun bei Porsche außerdem möglich, neue Software-Versionen remote zu installieren.
Quelle: Porsche – Pressemitteilung vom 13.04.2023