Radarlösungen sind unabhängig von Wetterbedingungen und Dunkelheit, was sie zu einer fundamentalen Technologie für autonome Fahrzeuge macht. Torsten Lehmann, Geschäftsführer des Radargeschäfts beim Chiphersteller NXP, betont, dass Radare bei widrigen Bedingungen das Fahrzeugumfeld immer noch erkennen können. Obwohl es noch Jahre dauern wird, bis Autos in großem Stil selbstständig fahren können, setzen sich elektronische Assistenzsysteme bereits durch. Laut Lehmann fragen Kunden vermehrt nach Radarsystemen, während gleichzeitig höhere gesetzliche Anforderungen für steigende Stückzahlen sorgen.
Europäische Halbleiterproduzenten profitieren besonders von dieser Entwicklung. Radar ist eines der wenigen Felder der Chipbranche, die nicht von amerikanischen und asiatischen Anbietern dominiert werden. NXP kämpft mit dem Münchener Dax-Konzern Infineon um die Vorherrschaft in diesem boomenden Geschäft. Laut Lehmann hat NXP alle großen Automarken als Kunden und gewinnt Marktanteile. Radarlösungen sind eines von sechs Wachstumsfeldern von NXP, die laut Vorstandschef Kurt Sievers ein jährliches Umsatzplus von 20 bis 25 Prozent versprechen. Die NXP-Sparte ist in Hamburg ansässig, was dem Chipstandort Deutschland zugutekommt.
Den jüngsten verfügbaren Zahlen zufolge erzielten Chiphersteller 2021 einen Umsatz von knapp 1,5 Milliarden Dollar mit Radarchips, was etwa 15 Prozent mehr ist als im Vorjahr. NXP hatte laut Analysten von Yole einen Marktanteil von 44 Prozent, Infineon von 33 Prozent. Infineon geht davon aus, dass die Hersteller bis 2027 jedes Jahr im Schnitt knapp ein Viertel mehr Radarsysteme ausliefern werden, da die Elektronik eine entscheidende Rolle auf dem Weg zum autonomen Fahren spielt.
Im Allgemeinen wird Radar mit Kameras oder Lidar-Systemen kombiniert, um die Umgebung möglichst lückenlos zu erfassen. Lidar verwendet Laser zur Abstandsmessung. Tesla ist jedoch der einzige Hersteller, der komplett auf Kameras und Software setzt und auf Radar verzichtet.
Obwohl die verschiedenen Systeme teuer sind, kalkuliert BCG für das sogenannte Level 2 des automatisierten Fahrens mit Kosten von 290 Dollar pro Fahrzeug für die dafür nötigen Chips. Noch einträglicher wird es für die Chiphersteller bei den darauffolgenden Stufen. NXP geht davon aus, dass ab Mitte des Jahrzehnts in jedem Mittelklassefahrzeug fünf Radarsensoren und in jeder Premiumlimousine zehn oder mehr vorhanden sein werden. Derzeit kostet ein Radarchip etwa fünf Dollar, während der dazugehörige Microcontroller, das sind Minicomputer für ganz bestimmte Aufgaben, noch einmal so viel veranschlagt wird.
Die Kosten schrecken die Autokäufer jedoch nicht ab, da die Radartechnologie längst Einzug in die Golfklasse gehalten hat, sagt Burkhard Neurauter, Chef der Radarchip-Entwicklung von Infineon.
Quelle: Handelsblatt – Der Zweikampf um den Milliardenmarkt Radar