Als weltweit erster Automobilhersteller hat Mercedes-Benz die Zertifizierung für hochautomatisiertes Fahren nach SAE‑Level 3 erhalten. Im US-amerikanischen Straßenverkehr des Bundesstaat Nevada kann der Hersteller künftig seinen DRIVE PILOT einsetzen.
Hinter der Bezeichnung DRIVE PILOT verbirgt sich ein System für hochautomatisiertes Fahren, welches die Anforderungen der Nevada Chapter 482A für autonome Fahrzeuge erfüllt. So wird es Fahrer:innen der Modelle S-Klasse und EQS im Modelljahr 2024 möglich sein, unter bestimmten Bedingungen, die dynamische Fahraufgabe an das Fahrzeug zu übergeben.
Ziel sei es, DRIVE PILOT noch in diesem Jahr auch in Kalifornien einzuführen, sobald eine entsprechende Zertifizierung auch dort vorliegt. Die benötigten Zertifizierungsunterlagen hat der OEM bereits bei den zuständigen Behörden eingereicht. Erste EQS und Mercedes-Benz S-Klasse werden die Stuttgarter im Laufe der zweiten Jahreshälfte 2023 an Kunden ausliefern.
„Zeit ist in der modernen Welt eines der kostbarsten Güter. Unseren Kunden Zeit zurückzugeben, ist daher ein Kernelement unserer Strategie, die begehrtesten Autos der Welt zu bauen. DRIVE PILOT bringt uns diesem Ziel einen großen Schritt näher und beweist einmal mehr, dass Innovationen und Pioniergeist Teil unserer DNA sind. Die Zertifizierung in Nevada markiert den Beginn der internationalen Markteinführung und damit den Beginn einer neuen Ära beim automatisierten Fahren.” – Markus Schäfer, Mitglied des Vorstands der Mercedes‑Benz Group AG, Chief Technology Officer, Entwicklung & Einkauf
Wie Mercedes-Benz in seiner dazugehörigen Mitteilung ausführt, sei der DRIVE PILOT aktuell bis zu einer Geschwindigkeit von 60 km/h in Deutschland, respektive 40 mph in den USA, aktivierbar. Aktiviert wird die Funktion durch entsprechende Bedienelemente, welche sich im Lenkradkranz, links und rechts oberhalb der Daumenmulden befinden. Sobald die Voraussetzungen für das hochautomatisierte Fahren gegeben sind, zeigt das System die Verfügbarkeit auf diesen beiden DRIVE PILOT-Tasten im Lenkradkranz an.

Ist der DRIVE PILOT aktiviert, regelt dieser Geschwindigkeit sowie Abstand und führt das Fahrzeug innerhalb der Spur. Streckenverlauf, Ereignisse auf der Strecke und Verkehrszeichen werden ausgewertet und berücksichtigt. Die Besonderheit, das System reagiert auch auf unerwartet auftretende Verkehrssituationen und bewältigt diese eigenständig, etwa durch Ausweichmanöver innerhalb der Spur oder durch Bremsmanöver.
Mercedes setzt auf LiDAR-Sensor und redundante Systemarchitektur
Bei Einführung des Level 3 Systems für autonomes Fahren setzt Mercedes-Benz auf Sicherheit. So baut der DRIVE PILOT auf der serienmäßigen Umfeldsensorik des Fahrassistenz-Pakets auf und umfasst zusätzliche Sensoren. Dazu gehören neben LiDAR auch Mikrofone und eine Kamera in der Heckscheibe zur Erkennung von Einsatzfahrzeugen, sowie ein Nässesensor im Radkasten.

Ein mit DRIVE PILOT ausgestattetes Fahrzeug verfügt zudem über redundante Lenk- und Bremssysteme sowie ein redundantes Bordnetz, sodass es auch im unwahrscheinlichen Fall einer Störung manövrierfähig bleibt und das System für autonomes Fahren eine sichere Übergabe an die Fahrerin oder den Fahrer gewährleisten kann.
Sollte der Fahrer:in nicht in der Lage sein, beispielsweise nach einer Übernahme-Aufforderung, das Lenkrad zu übernehmen, wird das System nach zehn Sekunden zeitnah einen Nothalt einleiten und die Warnblinkanlage einschalten. Steht das Fahrzeug dann, wird ein Notruf über das System abgesetzt sowie Türen entriegelt, um Ersthelfer:innen den Zugang zum Innenraum zu erleichtern.
Digitale HD-Karte, Sensoren und hochpräzises Positionierungssystem im Einsatz
Geortet wird der EQS oder Mercedes-Benz S-Klasse über ein hochpräzises Positionierungssystem. Dieses sei wesentlich leistungsfähiger als herkömmliche GPS-Systeme. Ergänzend zu den von LiDAR-, Kamera-, Radar- und Ultraschallsensoren erfassten Daten liefert eine digitale HD-Karte ein dreidimensionales Straßen- und Umgebungsbild mit Informationen zu Straßengeometrie, Streckeneigenschaften, Verkehrszeichen und besonderen Verkehrsereignissen.

Wie der Hersteller aus Stuttgart ausführt, unterscheiden sich die Karten für reguläre Navigationsgeräte unter anderem durch ihre höhere Genauigkeit im Zentimeter- statt im Meterbereich und ihr detailliertes Kreuzungs- und Streckenmodell. So werden die Kartendaten in Backend-Rechenzentren gespeichert und ständig aktualisiert. Ferner sichert jedes Fahrzeug ein Abbild der Karteninformationen an Bord, vergleicht diese ständig mit den Backend-Daten und aktualisiert gegebenenfalls den lokalen Datensatz.
Hierdurch sei es möglich, dass das Fahrzeug eine stabile und exakte Positionierung einhalten kann. Auch, wenn Schatten oder verschmutztem Sensor die Darstellung der Umgebung verhindern. Ein leistungsfähiger Chipsatz in einem zentralen Steuergerät stellt die notwendigen Softwarefunktionen für das hochautomatisierte Fahren bereit, während wichtige Algorithmen im Rahmen einer modernen Sicherheitsarchitektur redundant berechnet werden.
Damit ist es Mercedes-Benz gelungen, weltweit als erstes Automobilunternehmen, die anspruchsvollen gesetzlichen Anforderungen nach UN‑R157 für ein Level‑3-System zu erfüllen. Das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hatte Ende 2021 dafür die Systemgenehmigung auf Basis der technischen Zulassungsvorschrift UN‑R157 erteilt und somit den Weg bereitet, grundsätzlich ein solches System international anzubieten, sofern es die jeweiligen nationalen Gesetzgebungen erlauben. Das war der Startschuss für DRIVE PILOT, der in Deutschland seit Mai 2022 in S‑Klasse und EQS erhältlich ist.
Quelle: Mercedes-Benz – Pressemitteilung