Am 15. Februar 2023 gab die National Highway Traffic Safety Administration (= NHTSA) eine Rückrufankündigung für fast 400.000 Tesla-Fahrzeuge bekannt, die mit der Betaversion des sogenannten Full Self Driving (= FSD) Fahrassistenzsystems ausgestattet sind.
Darin erklärte die Behörde:
“The FSD Beta system may allow the vehicle to act unsafe around intersections, such as traveling straight through an intersection while in a turn-only lane, entering a stop sign-controlled intersection without coming to a complete stop, or proceeding into an intersection during a steady yellow traffic signal without due caution. In addition, the system may respond insufficiently to changes in posted speed limits or not adequately account for the driver’s adjustment of the vehicle’s speed to exceed posted speed limits.” – NHTSA
Nach eigenen Angaben hat Tesla nun ein Over-the-Air-Update für seine Software bereitgestellt. Das Update beinhaltet eine enorme Anzahl von Änderungen, die darauf abzielen, die von der NHTSA genannten Probleme zu beheben. Außerdem wurden durch das Update einige Änderungen hinzugefügt. Die vollständigen Details zu den Versionshinweisen für dieses Update finden Sie auf der Not A Tesla App-Website.
Das umfassende Software-Update im Detail
Yahoo! Zufolge seien die Updates der FSD-Beta-Software mit der der Autopilot-Highway-Software kompatibel, was den Betrieb vom Autopiloten verbessern soll. Dieser habe in den letzten vier Jahren kein bedeutendes Update erhalten. Ferner werden in der Version 11 auch folgende Probleme behoben:
- Wie das System reagiert, wenn andere Fahrer*innen bei aktivem FSD vor einem Tesla herfahren,
- wie die Software das Auto auf breiten Fahrspuren positioniert,
- wie das System auf eine blockierte Fahrspur auf der Straße reagiert,
- wie das Auto die Spur wechselt bzw. abbiegt und
- wie das Auto mit den Fahrer*innen kommuniziert.
Bezüglich der Benutzungsoberfläche hat Tesla mit der Installation des Updates umfangreiche Änderungen an Aussehen und Funktionsweise vorgenommen. So können Fahrer*innen intuitiver mit dem Fahrzeug kommunizieren und die Bedienung einfacher verstehen.
Das Update befasst sich zudem mit größeren Sicherheitsproblemen, auch wenn Tesla natürlich darauf hingewiesen hat, dass die Fahrer*innen immer selbst für den Betrieb des Fahrzeugs verantwortlich sind, auch wenn FSD Beta aktiviert ist. “You must constantly supervise the road, keep your hands on the wheel and be ready to intervene to maintain safety”, so das Unternehmen.
In Bezug auf die Rückrufkampagnen in den USA und Kanada nehme Tesla laut eigenen Angaben Änderungen an folgenden Punkten des FSD Beta vor:
- Verbesserte Entscheidungslogik für das Durchfahren oder Anhalten an gelben Ampeln durch Modellierung der Entscheidung als Kompromiss, der Folgendes berücksichtigt: die zum Anhalten erforderliche Verzögerung, die Zeit für das Einfahren in die Kreuzung und für das Verlassen der Kreuzung sowie die Strecke, die über die Kreuzung zurückgelegt wird, bevor die Ampel auf Rot umspringt. Dies sollte den Umgang mit gelben Ampeln natürlicher und menschenähnlicher machen.
- Die Verlangsamung im Erreichen von Stoppschildern an Kreuzungen wurde verbessert, um das gesamte Manöver natürlicher zu gestalten.
- Die Geschwindigkeitsanpassung des Tesla-Fahrzeugs beim Einfahren in bestimmte Geschwindigkeitszonen wurde durch eine frühere Anpassung bei erkannten Schildern verbessert. Wie stark das Fahrzeug verlangsamt, wird durch die aktuelle Ist-Geschwindigkeit und die Differenz zu der vom Schild angezeigten Soll-Geschwindigkeit bestimmt. Zudem wurde auf der Benutzeroberfläche ein Leuchten hinter dem Symbol für die Geschwindigkeitsbegrenzung hinzugefügt, um die Fahrer*innen zu warnen, wenn die eingestellte Geschwindigkeit des Fahrzeugs die Geschwindigkeitsbegrenzung um mehr als 50% überschreitet. Schließlich wurde auch die Option für eine absolute Abweichung des Geschwindigkeitslimits in FSD Beta entfernt, sodass nur die prozentuale Abweichung noch verfügbar sein wird.
- Das Verhalten für Szenarien, in denen der Tesla aus einer Abbiegespur heraus manövriert, um geradeaus weiterzufahren, wurde aktualisiert. Diese Manöver werden nun wie Fahrspurwechsel behandelt, bei denen der Blinker verwendet wird, um andere Fahrer*innen über die Absicht des Fahrzeugs zu informieren.
Wie gut das Update bei den Nutzer*innen von Tesla wirklich ankommt, bleibt abzuwarten.
Die Firmenlinie Teslas
Mitte März veröffentlichte die Washington Post einen ausführlichen Bericht über Full Self Driving von Tesla, in dem zahlreiche Personen aus Angst vor Repressalien nicht genannt werden wollten. Stimmen werden lauter, die die Linie des Unternehmens kritisch betrachten.
Im Mai 2021 kündigte Tesla an, dass es die Verwendung von Radaren in seinen Autos abschaffen würde. Kurz darauf wurde damit begonnen, die in den bereits hergestellten Fahrzeugen installierten Radargeräte zu deaktivieren, denn während Over-the-Air-Updates vorgenommen werden können, kann drahtlos auch wieder deaktiviert werden.
Der Washington Post zufolge waren einige Tesla-Ingenieur*innen fassungslos. Sie befürchteten, dass die Autos ohne Radar für grundlegende Wahrnehmungsfehler anfällig sein würden, wenn die Kameras z. B. durch Regentropfen oder sogar helles Sonnenlicht verdeckt würden. Elon Musk ging jedoch nicht auf die Bedenken seiner Ingenieur*innen ein. Nach der Abschaffung der Radare kam es zu einer Zunahme von Unfällen und Beinaheunfällen.
Musk wird aus den eigenen Reihen inzwischen ein unberechenbarer Führungsstil nachgesagt, der eine Entwicklung der Technologien in halsbrecherischem Tempo sowie deren frühzeitige Veröffentlichung erzwinge. Einige Ingenieur*innen äußerten Bedenken, dass die Software auch heute noch nicht sicher für den Einsatz auf öffentlichen Straßen sei, wobei viele anonym bleiben möchten.
“The system was only progressing very slowly internally […] [but] the public wanted a product in their hands […]. Elon keeps tweeting, ‘Oh we’re almost there, we’re almost there […] [but] internally, we’re nowhere close, so now we have to work harder and harder and harder.” – John Bernal, ehemaliger Test Operator bei Tesla in der Autopilot-Abteilung
Außerdem habe das Team in den vergangenen Monaten Personal verloren, mitunter sogar leitende Angestellte, so Bernal. Auch er wurde im Februar 2022 gekündigt.
Fluch oder Segen: Der Ehrgeiz Elon Musks
Elon Musk ist ein Charakter, der die Menschen spaltet. Sehen einige in ihm das Genie, sehen andere den Firmenautokraten. Diese Debatte kam einmal mehr mit der Übernahme und Massenentlassung bei Twitter Ende 2022 auf. Dabei habe er sogar geäußert, dass er nur Ingenieur*innen wolle, die „hardcore“ genug sind, um 18-Stunden-Schichten oder länger zu arbeiten. Als Arbeitgeber kann Musk also sicher hinterfragt werden, zugleich gilt er aber als Innovationstreiber.
Umso zweifelhafter erscheint dabei die Abschaffung der Radare in den Tesla-Fahrzeugen, vor allem hinsichtlich ihrer anfänglichen Erfolgsgeschichte im Unternehmen. Damals machte Tesla den Radar zum primären Sensor und Musk schwärmte von den Fähigkeiten: Tesla könne nun Radarsignale unter vorausfahrenden Fahrzeugen hindurchschicken, um zu erkennen, was vor ihnen passiert. Jetzt also ein wieder einen Schritt zurück? Fast scheint es so.
Ob Musk mit seinem unendlich hohen Anspruch und seine Ingenieur*innen mit Schlafmangel wirklich die bestmöglichen und sichersten Entscheidungen für ihre Fahrzeuge treffen, kann zumindest angezweifelt werden.
Quelle: CleanTechnica – Tesla Updates FSD In Response To NHTSA Recall Notice.