Ist autonomes Fahren ethisch vertretbar?

Ist autonomes Fahren ethisch vertretbar?
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Ist autonomes Fahren ethisch vertretbar?

Ethische Fragen lassen sich oft nicht eindeutig beantworten, so auch die Frage „Ist autonomes Fahren ethisch vertretbar?“ Es gibt viele verschiedene Argumente, deren Gewichtung individuell abgewogen werden muss, jedoch wird derzeit aktiv daran gearbeitet, dass immer mehr Menschen die Vorteile des autonomen Fahrens – eben auch aus moralischer Sicht - stärker gewichten können als die Nachteile.

In den letzten Jahren hat sich die Technologie des autonomen Fahrens rapide entwickelt und ist zu einem Thema von großem Interesse geworden. Doch neben den technischen Herausforderungen wirft das autonome Fahren auch eine Reihe von ethischen Fragen auf. Ist es moralisch vertretbar, die Kontrolle über das Fahrzeug an Maschinen abzugeben? In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die ethischen Aspekte des autonomen Fahrens.

Sicherheit

Eine der wichtigsten ethischen Fragen im Zusammenhang mit dem autonomen Fahren betrifft die Sicherheit von Passagier:innen, Fußgänger:innen und anderen Verkehrsteilnehmenden. Die Befürworter:innen des autonomen Fahrens argumentieren, dass die Technologie das Potenzial habe, die Zahl der Verkehrsunfälle drastisch zu reduzieren.
Autonome Fahrzeuge sind in der Regel mit zahlreichen Sensoren und Kameras ausgestattet, die ihre Umgebung kontinuierlich überwachen und dadurch schneller reagieren können als menschliche Fahrer:innen. Dadurch könnten potenziell gefährliche Situationen frühzeitig erkannt und vermieden werden, was zu einer insgesamt sichereren Verkehrsumgebung führt. Allerdings gibt es auch ethische Dilemmata, mit denen sich autonome Fahrzeuge auseinandersetzen müssen.

Das „Trolley-Problem“

Stellen wir uns zum Beispiel vor, ein autonomes Fahrzeug befindet sich in einer Situation, in der ein Unfall unvermeidbar ist. Es gibt eine Gruppe von Fußgänger:innen auf der einen Seite und eine Mauer auf der anderen Seite. Das Fahrzeug muss eine Entscheidung treffen, wen es schützt, also die Passagier:innen im Fahrzeug oder die Fußgänger:innen.
Dieses Gedankenexperiment namens „Trolley-Problem“ stellt uns vor eine schwierige Frage: Wie soll das Fahrzeug programmiert werden, um solche moralischen Entscheidungen zu treffen? Allerdings gibt es an diesem häufig herangezogenen Szenario auch harsche Kritik, wenn es den Fortschritt der Technologien bremst:

„Dieses abstrakte, so selten auftretende Problem verstellt die Sicht darauf, dass wegen eines einzigen Todesfalls, der möglicherweise eintreten könnte, alleine in Österreich über 400 reale Verkehrstote pro Jahr in Kauf genommen werden.“

Verantwortlichkeit und Haftung

Ein weiteres ethisches Problem, nämlich die Verantwortlichkeit, hängt eng mit diesem Szenario zusammen. Wenn ein autonomes Fahrzeug in einen Unfall verwickelt ist, wer ist dann verantwortlich? Ist es der Hersteller des Fahrzeugs, sind es die Programmierer:innen der Software oder Fahrzeughalter:innen?
Derzeit gibt es in Deutschland eine Kombination aus Haftungsverpflichtungen der Fahrzeughalter:innen, Fahrer:innen und Hersteller. Danach können Fahrer:innen für Fehler und Fahrlässigkeit herangezogen werden, während Hersteller für nachweisbares Systemversagen haften.

Privatsphäre und Datenschutz

Autonome Fahrzeuge sammeln eine enorme Menge an Daten über ihre Umgebung und die Passagier:innen. Diese Daten können für verschiedene Zwecke genutzt werden, wie zum Beispiel zur Verbesserung der Technologie oder für Werbezwecke.
Daher ist es entscheidend, dass angemessene Datenschutzrichtlinien und -vorschriften eingeführt werden, um sicherzustellen, dass die Privatsphäre der Menschen geschützt wird und die Daten nicht missbraucht werden.

Diskriminierung und Inklusion

So absurd es auch klingen mag, wären autonome Fahrzeuge durchaus in der Lage, Gruppen von Menschen zu benachteiligen, wenn sie beispielsweise auf einem rassistischen oder sexistischen Algorithmus beruhen würden. Daher ist es wichtig, Diskriminierung von vornherein auszuschließen und zu gewährleisten, dass die Technologie allen Menschen unter gleichen Sicherheitsstandards gleichermaßen zur Verfügung steht.
Außerdem hat autonomes Fahren das Potenzial, Menschen barrierefrei zu transportieren und damit ein inklusives Mobilitätsangebot zu schaffen, beispielsweise für ältere Menschen oder Menschen mit Behinderungen.

Fazit: Ist autonomes Fahren ethisch vertretbar?

Ethische Fragen lassen sich oft nicht eindeutig beantworten, so auch die Frage „Ist autonomes Fahren ethisch vertretbar?“ Es gibt viele verschiedene Argumente, deren Gewichtung individuell abgewogen werden muss, jedoch wird derzeit aktiv daran gearbeitet, dass immer mehr Menschen die Vorteile des autonomen Fahrens – eben auch aus moralischer Sicht – stärker gewichten können als die Nachteile.
Zu diesem Prozess gehören beispielsweise auch die 20 Ethikempfehlungen der EU-Kommission, die 2020 als Leitlinie veröffentlicht wurden. Darin sind konkrete Forderungen im Umgang mit Sicherheit, Transparenz, Datenschutz und Privatsphäre sowie Diskriminierung und Inklusion formuliert, die dem moralischen Verständnis europäisch-westlicher Demokratien entsprechen.
Es ist klar, dass das autonome Fahren eine komplexe ethische Debatte erfordert. Die Gesellschaft muss sich mit den aufkommenden Fragen auseinandersetzen, um zu einer fundierten Meinung zu kommen. Es ist wichtig, dass Regierungen, Unternehmen und die Gesellschaft dabei als Ganzes zusammenarbeiten und dass die Technologie das Wohlergehen der Menschen sowie der Gesellschaft insgesamt verbessert. Nur durch einen ausgewogenen Ansatz können wir die Vorteile des autonomen Fahrens nutzen, ohne dabei die ethischen Grundprinzipien zu vernachlässigen.
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